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Ein Jahr Krebsberatungsstelle - Nachfrage steigt

Fri, 31 Mar 2023 22:00:00 +0000 von Jeanine Rudat

© Krebsberatungsstelle Göttingen
v.l.: Thorben Sinning, Christina Wehrmann und Kathrin Gruber
Wenn der Krebs besiegt ist, ist noch längst nicht alles wieder gut. Viele Fragen und Probleme tauchen bereits vor, während oder nach Abschluss der medizinischen Behandlung auf, und Betroffene oder deren Angehörige suchen Hilfe. Die bekommen sie seit einem Jahr, genau: seit dem 1. April 2022, in der Krebsberatungsstelle Göttingen. Der Diakonieverband Göttingen‐Münden, eine Einrichtung des Kirchenkreises Göttingen‐Münden, hält hier in Kooperation mit dem Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (Universitätsmedizin Göttingen, UMG) ein ambulantes Angebot vor, dass es vorher so in Südniedersachsen nicht gab.

Die Nachfrage war von Anfang an groß, Tendenz steigend, sodass demnächst personell aufgestockt werden müsse, berichtet Christina Wehrmann, Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin. Sie bildet mit Thorben Sinning, Psychologe, und Kathrin Gruber, Assistentin, das bisher dreiköpfige Team der Beratungsstelle. Christina Wehrmann und Thorben Sinning, beide in Teilzeit in der Beratungsstelle beschäftigt, absolvieren die Zusatzausbildung zu Psychoonkolog:innen. Ihre Aufgaben sind so vielfältig wie die Schicksale der Menschen, die zu ihnen kommen: Wie geht man mit Beschwerden oder Behinderungen um, die Folge einer Krebserkrankung sind? Was tun, wenn die Kraft auch nach der Genesung nicht mehr reicht, umvoll arbeiten zu gehen? Wie versorgt man am besten an Krebs erkrankte ältere Eltern? – Das sind dabei nur einige der Fragen, die beantwortet werden wollen.
Soziale und psychologische Beratungsgespräche gehen einher mit ganz praktischer Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen für eine Reha oder für finanzielle Unterstützung. Die Sozialpädagogin und der Psychologe arbeiten Hand in Hand, die Themen überschneiden sich. Manche Ratsuchende kommen nur zu zwei Terminen, bei anderen kristallisiert sich erst langsam heraus, welche Probleme es neben den offensichtlichen noch gibt. Zum Beispiel bei einer Frau, die finanzielle Hilfe suchte, da sie nur noch eingeschränkt arbeiten gehen konnte. Das rein finanzielle Problem konnte durch einen Zuschuss durch die Deutsche Krebshilfe gelindert werden. Im Dialog wurde aber auch klar, dass die Patientin sich einsam fühlte, da ihr Freundeskreis sich durch die Erkrankung sehr verkleinert hatte. Hier vermittelte die Krebsberatungsstelle an eine Selbsthilfegruppe und motivierte dazu, frühere Freizeitbeschäftigungen wieder aufzunehmen.

Es sei gar nicht so selten, dass Probleme erst lange nach einer Genesung ans Licht kommen, skizziert es Christina Wehrmann. Während der Genesung müssten die Patient:innen sich mit so vielen anderen Dingen auseinandersetzen, dass die psychische Aufarbeitung schon mal zu kurz kommen könne. Tritt dann eine Krise ein, helfen die Beratungsgespräche dabei, aus dieser wieder heraus zu finden. Die Gespräche tragen dazu bei, die eigene Wahrnehmung zu verändern. „Es geht auch oft einfach ums Aushalten“, sagt Wehrmann, „da braucht man einen Gesprächspartner.“

Wo sie selbst nicht direkt weiterhelfen können, leiten Christina Wehrmann und Thorben Sinning die Ratsuchenden weiter. Zu diesem Zweck ist die unabhängige Beratungsstelle eingebunden in die Beratungsvielfalt des Diakonieverbandes und darüber hinaus gut vernetzt – mit Ärzt:innen und Praxen, mit dem Elternhaus für das krebskranke Kind, mit dem Hospiz, mit den Psychoonkolog:innen in den Kliniken, mit der Kontakt‐, Informations‐ und Beratungsstelle im Selbsthilfebereich (KIBIS), dem Pflegestützpunkt und anderen mehr. In Kooperation mit der UMG werden in den Räumen der Diakonie zukünftig zum Beispiel Schminkseminare angeboten oder auch Chi‐Gong.

Etwa 70 Prozent der Ratsuchenden kommen aus der Stadt Göttingen, 30 Prozent aus dem Umland. Rund 70 Prozent waren Frauen, 30 Prozent Männer. Für sie alle ist das Angebot kostenlos, auch eine anonyme Beratung ist möglich. Wenn die Wege allzu weit sind, werden Gespräche auch mal telefonisch geführt.

Dem Start im April 2022 war eine sorgfältige Vorbereitung vorausgegangen. UMG und Diakonieverband hatten bereits 2017 erste gemeinsame Überlegungen angestellt. Schließlich finanzierte die UMG ein halbes Jahr Vorlaufszeit, in der unter anderem die Berater:innen ihre psychoonkologische Zusatzausbildung begannen.

Heute wird die Krebsberatungsstelle Göttingen zu 80 Prozent aus der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung finanziert. Der verbleibende Anteil kommt gemeinsam von Stadt und Landkreis Göttingen, aus diakonischen Mitteln und hoffentlich bald auch vom Land Niedersachsen. Die Krebsberatung in Göttingen ist von April bis Dezember 2022 insgesamt 271 Mal in Anspruch genommen worden. Die Beratungsstelle befindet sich im Forum Kirche und Diakonie in Göttingen, Neustadt 20.

Weitere Informationen: https://kbs‐goettingen.wir‐e.de 
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